Januar-Favorit

Während ich dieses Buch gelesen habe, fragte ich mich ein ums andere Mal:

Würde ich mich das trauen? Würde ich – und sei es am Ende (wie bei Poulain) nur aus Trotz um es all den Spießern zuhause zu zeigen – so einen drastischen (man könnte auch sagen lebensmüden) Schritt gehen können?

Man sitzt da plötzlich eines Tages in seinem grauen Büro, im tristen Deutschland und hat nun dieses Buch gelesen. Die Seefahrerin. Ein Buch, in dem es um das Streben nach Freiheit, um eine dramatische Selbstfindung und zugleich Aufgabe aller anderen Dingen geht. Ein Buch, in dem es wild zugeht, in dem Lili an ihre äußersten Grenzen geht und gemeinsam mit den Männern der Fischfangbesatzung auf hoher, rauer See jeden Tag dem Tod ins Auge blickt. Unendliche Erschöpfung, grenzenlose Freiheit und am Ende – sollte sie sich dafür entscheiden – die große Liebe ihres Lebens. Es sei denn, ihr Drang nach Freiheit überwiegt.

Wie könnte man nach diesem Buch nicht ALLES hinterfragen?!

Nun ja, ich bin nicht direkt zu neuen Abenteuern aufgebrochen, aber ich habe zumindest mal den nächsten Schottland-Urlaub gebucht – immerhin! 😀

Wie immer, wenn ich ein Buch lese, habe ich erst einmal die Autorin gegoogelt. Catherine Poulain wurde in Frankreich geboren und hat zehn Jahre auf den Meeren Alaskas verbracht. Zuvor hat sie unter anderem in einer Fischkonservenfabrik in Island, in einer Werft in den USA und als Barkeeperin in Hongkong gearbeitet. Die Seefahrerin ist ihr erster Roman, für den sie 2016 für den Prix Concourt du Premier Roman nominiert und vielfach ausgezeichnet wurde. Heute lebt sie gemeinsam mit ihrem Hund und ihren Schafen als Hirtin in den Weinbergen Südfrankreichs. Also ich persönlich würde dieses als ein erfülltes Leben beschreiben. Alles richtig gemacht, viel erlebt, jede Menge zu erzählen, nichts zu bereuen.

Man muss schon sagen: Catherine Poulain – Hut ab! Erstens weil diese Geschichte auf wahren Begebenheiten beruht und zweitens, weil diese Art zu Schreiben endlich mal eine vollkommen andere ist. Ich brauchte einige Seiten um mich reinzufinden und dachte dann aber schnell: Wie kann ich anschließend je wieder ein normales Buch lesen, eines das so alltäglich und profan geschrieben ist, wie es bei den meisten Büchern nun mal der Fall ist? Eines das im Schreibstil dem letzten und dem vorletzten gleicht, als seien die Autoren miteinander im Unterricht gesessen? Eben weder eine große Herausforderung für den Autor noch für den Leser…

Dieses Buch – das weiß ich schon jetzt – werde ich immer mal wieder lesen. Und sei es nur, um meinen eigenen Hunger nach den Wellen, mein Fernweh, meine Sehnsucht nach Erlebnissen und nach Neuem zu stillen, ohne dass ich mir selbst dabei den Hals breche. Das tut schließlich Catherine Poulain für mich und lässt mich daran teilhaben. Denn, das musste ich mir am Ende eingestehen, so sehr ich mich auch danach sehne – nein, so mutig wie sie bin ich nicht.

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